"Das ist der Tod des Breitensports"

Für den Sportmediziner Stefan Pecher zielt die 2G-plus-Regel in die falsche Richtung. Schwarz sehen die Handballklubs aus der Region: "Nicht durchführbar, unpraktikabel und verrückt".

Hof/Wunsiedel – Für die Handballklubs aus der Region kommt es jetzt knüppeldick: Als Amateurvereine dürfen sie ihren Hallensport ab sofort nur noch unter 2 G-plus-Bestimmungen ausführen. Diese gelten
seit Mittwoch sowohl für Zuschauer und – völlig neu – auch für die Aktiven. Der renommierte Sportmediziner Stefan Pecher aus Neubau findet dafür drastische Worte: "Das ist der Tod des Breitensports!" Entsprechend ist auch die Stimmung bei allen für ihre Vereine ehrenamtlich Tätigen auf den Nullpunkt gesunken, wie unser gestriger Rundruf verdeutlicht.

21 11 25 ZuschauerHans Blüml, der Vorsitzende des Handball-Landesligisten HSG Fichtelgebirge sieht nur noch einen Weg: "Vernünftig wäre jetzt nur noch, diese Saison abzublasen."  Bedauerlich findet er es, dass der Bayerische Handballverband (BHV) seine außerordentliche Sitzung zu diesem Thema erst für den Donnerstagabend anberaumt habe. Damit hätte man sich aufgrund der sich seit Tagen zuspitzenden Lage schon früher auseinandersetzen können. Und dass in der Nacht zum Freitag die Entscheidung sofort publik gemacht werde, sei alles andere als sicher. Wie es weitergeht, wisse im Moment keiner. "Zu spät und verrückt ist das alles", kommentiert Blüml, "wir können nur abwarten, wie die große Entscheidung der Halbgötter in München ausfällt."

Er verstehe es einfach nicht, dass der BHV die Vereine solange in Unsicherheit wiege. Um angesichts der erneut veränderten Lage einen geordneten Spielbetrieb durchführen zu können, bedürfe es erheblicher Vorbereitungen. Und so ganz nebenbei stünden ja sportlich für den kommenden Samstag für die ohnehin schon zwei Spiele im Rückstand befindlichen Herren das so wichtige Heimspiel gegen den TV Erlangen-Bruck II und für die Damen das gegen die TS Herzogenaurach II auf dem Spielplan. Auf Zuschauer gänzlich verzichten möchte Blüml dann aber doch nicht: "Zehn Trommler in der Halle sorgen immer noch für eine bessere Atmosphäre als gar keine Besucher."

Für Christoph Bär, gemeinsam mit Karlheinz Bittermann, Spielleiter der SG Helmbrechts/Münchberg, stellt sich jetzt die Frage: "Wo kann ich meine vielen Spieler am Spieltag überhaupt testen lassen?" Die Teststelle in Münchberg schließe am Freitag bereits um 16 Uhr und habe am Wochenende gar nicht geöffnet. Da aber die Tests nicht älter als 24 Stunden sein dürfen und die Heimspiele der Damen erst um 17.45 Uhr und der Herren um 19.45 Uhr angepfiffen würden, wäre die Gültigkeit des Zertifikats bereits abgelaufen. In Helmbrechts wäre es theoretisch möglich zu testen, aber nur von 10 bis 12 Uhr – und sicher nicht ausschließlich nur für Sportler. Für viele bliebe letztlich nur eine Apotheke, die in der Regel an Samstagen nur bis 12 Uhr oder 12.30 offen sei. Doch hier Termine zu bekommen, um zwei volle Teams mit ihren Betreuern durchtesten zu können, sei in der Praxis kaum umsetzbar.

Ein Blick auf freie Online-Termine auf seinem PC während des Telefonats mit unserer Zeitung verriet Bär, dass die eine Apotheke bereits jetzt am Wochenende keine Termine mehr habe, bei einer anderen stünden bis dato gerade noch neun Termine für Samstag zur Verfügung. Von den Kosten für die Schnelltests möchte er gar nicht reden. Denn nur ein Test pro Woche werde als sogenannter Bürgertest vom Freistaat bezahlt. "Ich glaube, dass der BHV nicht sofort absagt, aber eine Unterbrechung der Saison verordnet", meint Bär, der sich unter den Voraussetzungen auch eine Fortsetzung des Ligaspielbetriebs ebenfalls nur schwerlich vorstellen kann. Dessen Teams müssten am kommenden Samstag auswärts ran – die Herren in  Stadeln, die Damen in Forchheim. Ob überhaupt gespielt wird, keiner weiß es. Schon am Vorwochenende wurden laut Schreiben des BHV 30 Prozent der Partien in Bayern abgesagt. Der 40-jährige IT-Techniker hofft, dass die Regierung für den Sport vielleicht noch nachbessert.

Für die HSV Hochfranken sieht Marcus Kropf unter den neuen Gegebenheiten einen ordnungsgemäßen Spielbetrieb "für nahezu nicht mehr durchführbar". Bereits die jüngsten Trainingseinheiten seien kurzfristig gecancelt worden. Der Spielleiter, der dieses Amt gemeinsam mit dem Rehauer Christian Richter ausübt, sieht sich zwar in der Lage, digitale oder schriftliche Impfausweise vor Heimspielen zu prüfen, nicht aber die jetzt verlangten zusätzlichen Testnachweise auf ihre Echtheit. "2G-plus ist eine Hammerregelung und bremst jeglichen Mannschaftssport aus", ärgert sich der seit Jahren so engagierte Funktionär. 2G hätte für ihn absolut genügt. Den gesamten Mittwochvormittag habe sein Handy "geraucht", doch auf viele Fragen könne er inzwischen selbst keine Antwort mehr liefern. Es gehe ja schließlich nicht nur um den Erwachsenensport. Auch die zahlreichen Trainer und Betreuer der Nachwuchsteams der HSV müssten sich jetzt, obwohl allesamt geimpft, testen lassen, um mit ihren Kindern üben zu dürfen. "Wir sind doch allesamt ehrenamtlich tätig, müssen unseren Berufen nachgehen und sollen dann beim Arbeitgeber um Unterbrechung bitten, um uns dann am Tag vor jedem Training in einem
Testzentrum anzustellen – wie soll das gehen?" kann Marcus Kropf nur den Kopf schütteln. Er sehe "dunkel" in die Zukunft. Alles sei nicht mehr praktikabel.

Große Unterstützung erfahren Kropf und seine Kollegen von Stefan Pecher aus Neubau. Der Sportarzt, der seit vielen Jahren auch das deutsche Nationalteam der Kombinierer und Skispringer medizinisch
betreut, sieht 2G-plus als "wenig sinnvoll und zielführend" an. Für ihn als "absoluten Impfbefürworter" hätte 2G "vollkommen genügt". Und er kann das auch begründen: Schnelltests würden nur anspringen,
wenn der Getestete überhaupt Symptome zeige und bereits eine erhebliche Viruslast in sich trage. "Ansonsten haben diese keine Aussagekraft." Und da infizierte Geimpfte ohnehin "eine sehr geringe Viruslast" in sich trügen, würde der Antigen-Schnelltest in den seltensten Fällen etwas bringen. Er befürchte, dass Kinder und Jugendliche den Vereinen nach einem weiteren Quasi-Lockdown endgültig den Rücken kehrten. Was für ihn eine bedrohliche Entwicklung wäre. Überhaupt nicht verstehen kann Pecher zudem, dass gerade jetzt, in einer Zeit, in der ein extrem starkes Immunsystemgefragt sei und neben Corona auch der RS-Virus bei Kindern und dieGrippeumsich griffen, das Sporttreiben quasi abgewürgt werde. Pecher: "Da muss sich die Politik wirklich intelligentere Lösungen einfallen lassen."

Quelle: Frankenpost Ausgabe Fichtelgebirge vom 25.11.21, Bericht und Foto: Peter Perzl