Damen: Die eingebaute Torgarantie

Anna Wölfel hat mehr als ein Viertel Die eingebaute Torgarantieder 395 Treffer des Handball-Bayernligisten HSG Fichtelgebirge erzielt. Bald aber könnte der Abschied anstehen. Der Zweitligist BSV Sachsen-Zwickau und der Drittliga-Vertreter ESV Regensburg sind an der 25-jährigen Wunsiedlerin interessiert.

Anna Wölfel und Franzska Zeitler

Tore sind ihr Markenzeichen, sechs Stück im Schnitt pro Spiel. Auf 104 bringt es Anna Wölfel bereits in dieser Bayernliga-Saison. Das sind mehr als ein Viertel der insgesamt 395 Treffer „ihrer“ HSG Fichtelgebirge. Die hat nach fünf Siegen in Serie mit nur vier Punkten Rückstand Tuchfühlung zum Spitzenreiter TSV Ismaning aufgenommen und stellt den zweitbesten Angriff nach Winkelhaid (418). Die 25-Jährige ist so etwas wie die eingebaute Torgarantie ihrer Mannschaft, schont weder sich noch ihre Gegner. Gesunde Härte nennt sich das wohl oder ein bisschen auch das Herantasten an die Grenze des Erlaubten.

Anna Wölfel, die eigentlich Anna-Sophie heißt („Sophie ist mein erster Name, aber alle rufen mich nur Anna“), ist geachtet und gefürchtet zugleich in der Liga. „Vielleicht, weil ich auch gerne mal austeile“, vermutet die Spielerin, die sich natürlich wehrt, weil sie auch einstecken muss. Und das nicht zu wenig. „Gegen Etwashausen habe ich meine Gegenspielerin mal gefragt, warum sie so unsportlich spielt, da hat sie mir gesagt, ihr Trainer verlange, dass sie mich neun Meter vor dem Tor zu stoppen hat. Wenn nicht mit fairen Mitteln, dann eben anders.“ Wölfel hat gelernt, mit Härte umzugehen und ihre eigene Strategie dagegen entwickelt. „Ich will eben um jeden Preis gewinnen“, gibt sie gerne zu. Dass sie sich in der Handball-Bayernliga inzwischen den Ruf als eine der „unbeliebtesten Spielerinnen“ erworben hat, betrachtet sie eher als Auszeichnung. „Eins gegen eins suchen die lieber einen Umweg, um nicht gegen mich spielen zu müssen“, grinst Anna Wölfel verschmitzt.

Willenskraft, ein gutes Auge für die Situation und Durchsetzungsvermögen zeichnen die Studentin für Sport und Maschinenbau-Engineering aus. Dabei kann sie gar nicht so oft mit der Mannschaft trainieren, „leider, wegen meines Jobs in der Baustelle“, einem Wunsiedler Szenelokal, „nur am Mittwoch geht es.“ Mit dem Job in der Kneipe finanziert sie ihren Lebensunterhalt und die Wohnung. Die Kondition holt sich Anna Wölfel mit Joggen und Langlaufen im Winter. „Fitness ist das A und O“, hat sie sich zur Maxime gemacht. Wenn andere abbauen, dreht sie nochmal auf.

Im Vorjahr war Wölfel sogar drittbeste Torjägerin in der Bayernliga, wie ihr aus Verbandskreisen mitgeteilt wurde. Offiziell wird allerdings keine Statistik geführt. Und auch in dieser Saison liegt sie sicher mit ihren über 100 Treffern bei den Besten, intern allerdings nur knapp hinter Jessica Spannig (Lenhard), die nach ihrer langen Verletzungspause prächtig aufdreht und es auf 98 Treffer gebracht hat. Dabei hat Anna Wölfel zwei der bislang 15 Partien – beim Kissinger SC und beim SV/DJK Taufkirchen – gar nicht bestreiten können. Doch ein Kampf um die interne Torjägerkrone interessiert sie nicht: „Das ist nicht entscheidend. Je mehr bei uns treffen, desto weniger sind wir ausrechenbar.“ Denn Anna Wölfel, eine der wenigen im Team, die aus dem VfL Wunsiedel hervorging, möchte mit der HSG zu gerne noch den großen Wurf landen. Nach dem vierten Platz im Vorjahr, wie weit soll es gehen? „Immer nach oben, so weit wie möglich, ist doch klar“, sagt sie selbstbewusst.

Kein Wunder, dass bei dieser Einstellung und diesen Tugenden höherklassige Vereine längst auf die in Marktredwitz geborene und in Wunsiedel wohnende Sportlerin aufmerksam geworden sind. Vor dieser Saison klopfte der Drittligist ESV Regensburg an, wollte Anna Wölfel zu einem Wechsel bewegen – Jobgarantie beim dortigen Sponsor und eine Wohnung inklusive. Doch damit hätte sie der HSG Fichtelgebirge kurz vor dem Saisonstart einen Tiefschlag versetzt. „Die Mädels und der Trainer wussten Bescheid, aber ich bin geblieben, weil wir uns geschworen haben, gemeinsam noch einmal anzugreifen und ich die Mannschaft nicht hängen lassen wollte.“ Außerdem sei der Arbeitsplatz in der Fabrik „nicht ganz das gewesen“, was sie sich später einmal vorstelle. „Fließband oder Büro ist nicht meine Welt. Ich möchte entwickeln, bin eher der Maschinenbau-Typ“, beschreibt sie sich. Vielleicht ergebe sich da später mal in der Region etwas, etwa im Radsport-Bereich, wo doch große Unternehmen im Fichtelgebirge und der Oberpfalz angesiedelt sind.

Kurz vor Weihnachten klopfte dann auch noch der Handball-Zweitliga-Vierte BSV Sachsen-Zwickau bei Anna Wölfel an, die ihren Studienplatz bis zum Abschluss im Sommer noch quasi in der Nachbarschaft in Zwickau hat. Ein Treffen mit Kennenlernen ist zumindest schon mal vereinbart, verrät sie. Noch ist die junge Dame unschlüssig. Aber sie weiß: „Ich bin jetzt 25, und eine Entscheidung muss fallen – bald.“

Quelle: Marktredwitzer Tagblatt vom 23.01.14, Sport aus der Region, Bericht + Foto: Peter Perzl