Herren I: "Wir wollen ganz oben spielen"

Vladimir Haber schließt mit der HSG Fichtelgebirge einen Aufstieg in die Handball-Bayernliga nicht aus. Prunkstück ist der Rückraum. Die Abwehr muss noch zulegen.

Trainer Vladimir HaberHerr Haber, es wird langsam ernst. Am Samstag um 19.30 Uhr geht es zum Bayernliga-Absteiger TSV Ismaning. Wird die HSG Fichtelgebirge in der Handball-Landesliga eine ähnlich starke Rolle spielen können wie im vergangenen Jahr, als sie als Dritter abschloss?
Das hoffe ich sehr. Wir wollen ganz oben spielen. Und ich meine auch ganz oben. Die Mannschaft hat mit Spielern im Alter bis 27 Jahre und einigen unter 20-Jährigen ein ideales Alter. Wenn alle zusammenbleiben, müssen die schnell in die Bayernliga. Ich weiß, dass das einige andere auch möchten. Im Moment ist es noch schwer zu sagen, was die Konkurrenz drauf hat. Ich erwarte sechs oder sieben ganz starke Teams. Nach zwei, drei Runden wissen wir mehr.

Auf Ihre Mannschaft wartet ein Hammer-Auftaktprogramm mit den beiden Auswärtsspielen in Ismaning und Helmbrechts. Dann kommt der Vorjahresfünfte aus Lauf/Heroldsberg, anschließend geht es zum zweiten Absteiger nach Lohr und danach gastiert Vizemeister Rothenburg. Ist Ihnen davor nicht bange?
Mir persönlich ist das egal. Für die Mannschaft ist es sogar besser, auswärts beginnen zu können. Vor eigenen Zuschauern möchte doch jeder Spieler sofort zeigen, was er drauf hat. Das klappt anfangs erfahrungsgemäß noch nicht so gut. Da besteht leicht die Gefahr der Übermotivation oder mal zu überdrehen. Gerade für die Neuen wie Michal Pich und Adam Strýc. Nach fünf Spielen wissen wir, wo wir stehen.

Sie sprechen gleich Ihre Neuerwerbungen an. Wir groß ist die Hoffnung, dass Stryc am Samstag auflaufen kann. Oder droht gar ein Freigabe-Marathon?
So viel ich gehört habe, soll er spielen können. Bis Freitag muss die Sache vom Tisch sein. Die Freigabe aus Pilsen ist erteilt. Ich habe extra beim tschechischen Verband in Prag bei der Sekretärin nachgehört. Dort hat man wegen der Urlaubszeit gewartet. Jetzt liegt es nur noch an der Europäischen Handball-Federation (EHF) in Wien und dem Deutschen Handballbund. Die Formalitäten sollten jetzt zügig über die Bühne gehen.

Wie wichtig sind die Neuen bereits für das HSG-Spiel?
Beides sind Eckpfeiler in unserem Gefüge. Alle passen menschlich gut zusammen und verstehen sich bestens. Michal Pich hat seine großen Stärken zweifelsohne in der Abwehr, ist dort längst unser Chef, und selbstverständlich am Kreis. Er ist mit seiner Größe der ideale Typ Kreisläufer. Auch international geht die Tendenz inzwischen zu 110 Kilo und zwei Metern, die einer mitbringen sollte. Adam Strýc ist ein technisch hervorragender Spieler, der im Angriff alle drei Rückraumpositionen problemlos spielen kann.

Damit sind Sie glänzend aufgestellt?
Was den Rückraum angeht, habe ich sechs Alternativen, von denen jeder links wie rechts spielen kann. Das dürfte für jede Abwehr ein Problem darstellen. Einzig ein Linkshänder fehlt mir noch auf Halbrechts. Der Stefan Flasche wäre einer. Wir haben das probiert, aber der fühlt sich auf Rechtsaußen bedeutend wohler.

Sie haben gesagt, Ihr Ziel ist eine offensiv ausgerichtete HSG mit einer offensiven Abwehr und schneller Balleroberung. Wie nah sind Sie Ihrer Idealvorstellung?
Das braucht noch ein bisschen Zeit. In der Abwehr läuft es schon ganz gut, aber nicht ideal. Da haben wir zwar mit durchschnittlich 1,90 Meter das richtige Gardemaß, aber ein bisschen fehlt einigen noch die Übersicht beim Tempogegenstoß. Es geht nicht so schnell wie gedacht. Dazu hätten wir ein paar Vorbereitungsspiele mehr gebraucht.

Am Wochenende hätten Sie zwei im Pokal um den Molten-Cup in Rödental gehabt, aber stattdessen die zweite Mannschaft geschickt. Warum?
Ganz einfach: Wir wollten keine Verletzungen riskieren. Die Teilnahme ist Pflicht. Wichtig ist, einen Molten-Ball dabeizuhaben und eine Mannschaft zu stellen. Einige meiner Leute waren auch nicht ganz gesund. Dann fehlte der Pass von Adam Strýc. Die Erkenntnisse wären nicht groß gewesen. Auch unser Nachwuchstalent Andreas Birner ist erst im Oktober nach dem 18. Geburtstag spielberechtigt. Er studiert in Erlangen und spielt dort für den HC in der Jugend-Bayernliga. Wir erhalten ein Zweitspielrecht für die Landesliga.

Ihr Torwart Neuzugang Maximilian Steppan hat die HSG überraschend wieder verlassen. Warum?
Er wollte von mir wissen, ob er künftig die Nummer eins bei uns im Tor ist. Ich habe gesagt, dass ich das jetzt noch nicht sagen kann und er noch 14 Tage bis drei Wochen abwarten soll. Ein paar Tage später habe ich im Training gehört, dass er uns verlassen hat. Ob zurück nach Helmbrechts, weiß ich nicht. Er wollte wohl eine Garantie haben. Steppan war auf alle Fälle nicht besser als Christopher Gruber, Miroslav Brosko oder René Rieß. Alle haben in etwa das gleiche Level. Darum werde ich auf der Position von Spieltag zu Spieltag entscheiden. Unser René Rieß muss allerdings wieder umdenken und selbst trainieren. Bislang hat er das Torwarttraining geleitet.

Was gefällt Ihnen an der Arbeit im Fichtelgebirge am meisten und wo gibt es noch Probleme?
Diese Mannschaft will unbedingt trainieren. In dieser Woche hatte ich nur zwei Tage angesetzt, aber die Spieler haben auf den dritten Trainingstag bestanden. Das hat man nicht überall. Selbst angeschlagene oder verletzte Leute sind immer präsent und halten sich irgendwie fit. Eine super Einstellung. Verbessern müssen wir uns in der Abwehr, um schneller in Ballbesitz und mit zwei, drei Pässen zum Torwurf zu kommen. Das sind schließlich die einfachsten Tore.

Und was macht der Vladimir Haber, wenn er mal nicht auf dem Trainingsplatz steht?
Eigentlich bin ich ja mit meinen 66 Jahren Rentner. Aber ohne Handball geht es einfach nicht. Ich arbeite noch bei Sport 1 für das tschechische Fernsehen als Co‑Kommentator – oder wie man in Deutschland sagt, als Experte. Da kommentiere ich Spiele der Handball-Champions-League, der Welt- oder Europameisterschaft und auch der spanischen Liga. Ab nächster Woche bin ich da wieder drei- bis vier Mal in der Woche im Einsatz.

Trainerporträt
Der 66-jährige Vladimir Haber wohnt in Pilsen. Er errang mit der damaligen Tschechoslowakei bei den Olympischen Spielen 1972 in München die Silbermedaille, absolvierte fünf Spiele inklusive des Finals und erzielte dabei fünf Treffer. Auch vier Jahre später in Montreal stand Haber im tschechischen Team, das Siebter wurde. Er spielte für seinen Heimatverein Skoda Pilsen und absolvierte insgesamt 170 Länderspiele. Seit 1996 war er drei Mal Nationaltrainer. Zuletzt von 2012 bis 2014. Nach der Europameisterschaft in Dänemark wurde er von Martin Liptak abgelöst. Haber ist auch im Fichtelgebirge kein Unbekannter. Bereits in der Saison 2006/07 war er bis zum Frühjahr Trainer der HSG.

2015 09 10 DomiHelmbrechts

Quelle: Marktredwitzer Tagblatt vom 10.09.15, Sport aus der Region - Das Gespräch führte Peter Perzl