Herren: Am Ende bricht das Chaos aus

HSG 2020 Fichtelgebirge – Haspo Bayreuth II 25:25

Die HSG 2020 Fichtelgebirge verspielt den sicheren Sieg drei Sekunden vor der Sirene. Sie führt zur Pause schon mit sechs Toren. Trainer Haber zeigt sich sehr enttäuscht.

HSG Fichtelgebirge: Broško, Gruber – Petričević (3), Burger (6), Bralic (3), Wippenbeck (1), Šetlík (2), M. Tröger (3), Mocker (3/1), Danielka (2), St. Tröger, Birner (1), Berger (1), Flasche
Schiedsrichter: Ludwig/Simon (TS Herzogenaurach)
Zuschauer: 80
Strafzeiten: HSG 2, HaSpo 3
Siebenmeter: HSG 1/1 – HaSpo 3/6
Spielfilm: 5:0, 5:4, 8:4, 8:6, 12:7, 14:8 (Halbzeit), 17:12, 19:14, 20:16, 22:20, 25:21, 25:25

Wie konnte das nur passieren? In diesem Handball-Spiel stand es nur zwei Mal unentschieden: zum Anpfiff bei 0:0 und am Ende mit 25:25. Ansonsten führte die HSG 2020 Fichtelgebirge in dieser Landesliga-Auftaktpartie mit wenigen Ausnahmen stets deutlich mit vier bis sechs Toren, hielt das Tempo permanent hoch, ließ sich aber genauso unverständlicherweise, wie unnötigerweise am Ende noch die Butter vom Brot nehmen. Vier Gegentore in den letzten drei Minuten: Trainer Vladimir Haber stand lähmendes Entsetzen ins Gesicht geschrieben, sprach "vom blanken Chaos" und einer "großen Enttäuschung". Statt Freudentaumel beherrschte in Wunsiedel nach dem Abpfiff Tristesse die Szenerie.

Dagegen feierten die Bayreuther auf der anderen Seite den nie mehr erhofften Punktgewinn, als gäbe es kein Morgen mehr. "Das Unentschieden fühlt sich tatsächlich wie ein Sieg an", freute sich das Bayreuther Trainer-Urgestein Andreas Berghammer. Vor über drei Jahrzehnten hatte er sich noch auf dem Spielfeld mit seinem Gegenüber Vladimir Haber (damals Bad Neustadt) in der damals drittklassigen Oberliga duelliert. Mit eisernem Willen hatte sein junges HaSpoTeam dem Goliath getrotzt. "Wir haben natürlich auch viel Glück gehabt", räumte Berghammer ein. "Aber wir haben uns nie aufgegeben." Genau das sei es, was dem Handballsport die Würze gebe. "Ich habe mir kurz vor Ende schon überlegt, was ich sagen werde, warum wir verloren haben und hätte geantwortet: Fichtelgebirge hat ein richtig starkes Spiel gemacht und gewonnen, weil es die bessere Mannschaft war." Doch letztendlich zählen am Ende die Tore. Und davon hat die HSG zu wenige erzielt und es verpasst, sich für einen über weite Strecken sehenswerten Auftritt zu belohnen.

Einig waren sich beide Trainer, dass die offensive Deckung der Gäste, die die HSG-Spieler teilweise sechs, sieben Meter vor dem Kreis mit einer bewundernswerten Laufleistung empfingen, am Ende prägend für den Ausgang war. "Obwohl wir das gewusst haben und alle darauf eingestellt waren", schüttelt Haber nur ungläubig mit dem Kopf. Für Berghammer war sie "der Schlüssel zu dem Erfolg". Einer 50 Minuten permanent aufs Tempo drückenden und am Ende kräftemäßig sichtlich nachlassenden HSG war es so ab der 47. Minute nicht mehr gelungen, sich in die Räume hinter der sehr beweglichen HaSpo-Defensivreihe zu schmuggeln.

"Wir haben da völlig untaktisch gespielt", ärgerte sich Haber, weil anderes vereinbart war. "Ich habe immer wieder gesagt, mehr Bewegung ohne Ball, aber alle standen nur noch." Dazu habe sein Team in seiner grenzenlosen Euphorie viele klare Wurf-Möglichkeiten versiebt. Die allergrößten vergaben wohl Markus Tröger frei stehend vor dem Keeper über den Kasten, Konstantin Burger und Daniel Bralic, was die entscheidenden Konter zur Folge hatte. Dazu kam ein teuerer Ballverlust von Philipp Mocker im Aufbau. "Das Spiel haben wir vorne verloren", sprach Haber in diesem Moment von einer Niederlage, weil sich das Remis für ihn einfach so anfühlte. "So kannst du nicht gewinnen."

20 10 05 MartinDabei hatten die Fichtelgebirgs-Handballer, deren tschechische Spieler einschließlich Trainer zuvor negativ auf Corona getestet waren, einen traumhaften Start aufs Parkett gelegt, führten nach etwas mehr als sieben Minuten mit 5:0 und überrollten die Gäste förmlich. Ein Augenschmaus für alle jene, die das Privileg besaßen, eine von den erlaubten 80 Tickets für das Spiel zu ergattern. Doch schon in dieser Phase wurde deutlich, dass das nur äußerlich gefestigte HSG-Gebilde noch Risse aufweist. In nicht einmal drei Minuten hatte Bayreuth auf 5:4 verkürzt. Was dann folgte war, gestützt auf eine perfekt funktionierende Abwehr um einen bärenstarken Miroslav Broško, ein Angriffs-Feuerwerk der Hausherren mit einer Wurfquote, die der Gäste-Coach später als "sensationell" beschreibt.

Und so deutete nach der klaren 14:8-Pausenführung und auch weiter hoher Dominanz nichts darauf hin, dass die HSG an diesem Nachmittag irgendwie noch Probleme bekommen könnte. Doch so kurz vor der 50. Spielminute war es plötzlich vorbei mit der Herrlichkeit. Es stellte sich eine gefährliche Mischung ein aus Übereifer, Schludrigkeit und fehlender Konzentration. Die fleißigen und nimmermüden Gäste dagegen versuchten mit dem Mute der Verzweiflung aus einem verkorkst scheinenden Nachmittag noch etwas Gutes zu machen. Als dann Jesse Abend in Minute 49:29 Minuten das 22:20 gelungen war, ging spürbar ein Ruck durch alle Bayreuther Reihen.

Die Bank unterstützte lautstark, und ein kleiner, bis dahin kaum zu vernehmender Gäste-Anhang sorgte auf einmal auf der Tribüne lautstark für Stimmung. Die HSG sandte trotzdem noch Lebenszeichen, behob das Malheur in Person des überzeugenden Konstantin Burger zum 24:20 in der 56. Minute. Doch statt das Spiel nun endlich mal zu beruhigen, gerieten die Hausherren immer mehr in die Bredouille, wirkten, als hätten sie auf einmal die Hosen gestrichen voll. In einem heillosen Tohuwabohu kassierten sie drei Sekunden vor der Schlusssirene durch Henri Dittmar tatsächlich noch den Ausgleich. Was einer Mannschaft mit so viel Erfahrung und großen Plänen eigentlich nicht passieren sollte. Vielleicht aber war’s ein rechtzeitiger Schuss vor den Bug.

Quelle: Frankenpost Ausgabe Fichtelgebirge vom 05.10.2020, Sport aus der Region, Bericht und Foto: Peter Perzl