Herren I: HSG in Schockstarre

Die Fichtelgebirgs-Handballer unterliegen dem Landesliga-Zweiten vier Sekunden vor der Schlusssirene. Sie führen vor der Pause bereits mit fünf Toren und bieten Lauf/Heroldsberg  lange die Stirn.

Es ist wie verhext und gleichermaßen bitter: vier Sekunden vor der Schlusssirene fing sich die HSG 2020 Fichtelgebirge das spielentscheidende Gegentor zum 25:26 ein und schlich zum neunten Male in dieser Saison mit leeren Händen aus der Halle. Und das nach einer Leistung, die nicht im Entferntesten zu vergleichen war mit der unterirdischen eine Woche zuvor in Regensburg. "Das heute hatte etwas ganz etwas anderes, aber leider bleibt uns wieder kein Punkt", wirkte Trainer Milan Šedivec  sen. spürbar bedrückt und in sich gekehrt. "Zumindest einen hätten wir verdient gehabt." Zu allem Übel hat die Niederlage auch noch ein Abgleiten auf den letzten Tabellenplatz (nuLiga-Tabelle) zur Folge.

HSG 2020 Fichtelgebirge: Broško, Gruber - Burger (4), Bralic (1), Wippenbeck (10/2), Danielka (5), Schlitter (1), Mattas, Birner (2), Wölfel (2), Koristka, Zißler, Keltsch, Zitzlmann
Schiedsrichter: Güßregen, Murrmann (Nürnberg)
Zuschauer: 180
Zeitstrafen: Fichtelgebirge 5, Lauf/Heroldsberg 3
Siebenmeter: Fichtelgebirge 2/2, Lauf-Heroldsberg 4/4
Spielfilm: 1:2, 3:3, 3:5, 5:5, 7:5, 10:7, 13:8, 13:10, 14:12, 16:14 (HZ) 16:16, 18:17, 18:19, 20:20, 21:22, 23:23, 23:24, 24:24, 24:25, 25:25, 25:26 (Endstand)

Das Heimteam zeigte Charakter und legte gegen den Tabellenzweiten eine erste Hälfte aufs Parkett, die ihr ohne den an einer fiebrigen Erkältung erkrankten Trainersohn Milan Šedivec jun. kaum einer zugetraut hatte: Engagiert, druckvoll, aggressiv, temporeich und spielbestimmend. Es ließen sich noch viele Positiv-Adjektive finden. Dazu mit einem Miroslav Broško im Rücken, der die Gäste mit sensationellen Paraden schier zur Verzweiflung trieb und immer wieder Szenenbeifall von den Rängen erntete. Kontinuierlich bauten die Hausherren ihren Vorsprung aus, der bis zur 23. Minute (13:8) sogar stattliche Ausmaße annahm.

Danielka läuft zur Hochform auf

23 01 23 ZdenekVor allem Zdeněk Danielka, der nach überstandener Erkrankung zur Hochform auflief und die Geschicke lenkte, und der zehnfache Torschütze Johannes Wippenbeck sorgten für mächtig viel Dampf in der Hütte. "Wir wussten, was uns erwartet, weil wir, soweit ich mich erinnere, hier in den letzten Jahren kaum ein Spiel gewonnen haben" musste Laufs Spielertrainer Felix Ehler eingestehen. Diese HSG 2020 Fichtelgebirge sei auf alle Fälle "wesentlich besser als ihr Tabellenplatz vermuten lässt". "Wenn die so weitermachen, schaffen sie den Klassenverbleib." Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Seinen kurz-fristig wegen Krankheit und Verletzung improvisieren mussten. "Das aber haben wir noch gut hinbekommen", freut sich Ehler, der von einem "glücklichen Sieg" sprach.

Der kleine Mutmacher allein aus Lauf/Heroldsberg wird’s allerdings auch in Zukunft nicht richten. Für den Landesliga-Verbleib sind kontinuierlich Konzentration und Geduld gefragt. Denn wie schon so oft verloren Šedivecs Jungs unmittelbar nach der Pause peu à peu ihre Souveränität und mitunter auch den Mut, ihre Würfe weiter entschlossen durchzuziehen. "Jeder wollte am Ende ein Tor werfen, aber das klappt so nicht", sagt Šedivec sen.

Ausgleich und Rückstand (16:16/16:17) nach Kontern und Doppelpack des brandgefährlichen und pfeilschnellen Jens Scheuerer (8 Feldtore) gingen allerdings mit auf das Konto von Johannes Wippenbeck, der sich jeweils beim Pass-Versuch von der offensiven Laufer Deckung zwei Mal den Ball abluchsen ließ. Vielleicht auch eine Folge dessen, dass ihm bis dahin wenig Pausen vergönnt waren. Seine Trefferquote dagegen blieb – trotz zwischenzeitlicher Manndeckung - die eines Liga-Toptorjägers würdig.

HSG zeigt weiter Zähne

Die Hausherren zeigten, anders als zuletzt, weiter Zähne, ließen sich nicht kleinkriegen. Die Führung wechselte fortan ständig. Mit dem Unterschied, dass die auch nicht fehlerfreien Mittelfranken mehr ihrer Möglichkeiten verwandelten, die Fichtelgebirgs-Handballer zu viele liegen ließen. Ob Jan Koristka bei 20:20 (Torwart hält) und 23:24 (Pfosten), Maximilian Schlitter oder Johann Zißler (bei 21:20) mittig und völlig unbedrängt – ein Zwei-Tore-Vorsprung wäre jederzeit wieder drin gewesen. Doch der jungen Garde fehlt es aktuell noch an Kaltschnäuzigkeit und Abezocktheit in so engen Partien. Dazu leistete sich das Team durch die Bank "zu viele einfache Ballverluste und Passbälle zum Gegner" (Šedivec sen.) und lief immer wieder in Konter. Beim einen oder anderen waren auch konditionelle Schwächen spürbar. Dennoch schien nach Wippenbecks umjubeltem Kracher unters Lattenkreuz 44 Sekunden vor dem Ende der eine Punkt machbar. Die HSG aber schaffte es nach der Gästeauszeit in den verbleibenden 25 Sekunden nicht, den wieselflinken Daniel Pinzer auf der linken Seite irgendwie aus der Balance zu bringen. Der fand die Lücke durch zwei HSG-Spieler und versetzte vier Sekunden vor der Sirene mit dem Siegtor seine Laufer in eine kaum mehr zu bändigende Euphorie und die Fichtelgebirgs-Handballer in eine kollektive Schockstarre.

So bitter diese Niederlage letztendlich sein mag, auf die Leistung lässt sich aufbauen für den nächsten Samstag in Erlangen-Bruck II, wo direkte Konkurrenz wartet.

Quelle: Frankenpost, Ausgabe Fichtelgebirge vom 23.01.23, Bericht und Foto: Peter Perzl